Norwegens Fjordland im Frühling per Rad – Teil 1
Text: Reinhard Pantke, überarbeitet von Tanja Riehm-Wagner
Es ist Frühling und auch der Norden lockt im Mai mit kontrastreichen Impressionen – zum Beispiel Norwegens Fjordland. Während unten in den Tälern schon Frühling ist und an den Hängen der berühmten Fjorde Hunderttausende von Obstbäumen blühen, liegt in Bergen teils noch meterhoch Schnee und so manche Passstraße wird gerade erst geöffnet. Reinhard Pantke war wie immer mit dem Fahrrad unterwegs und schildert einige seiner Eindrücke. Lesen Sie selbst einen kleinen Auszug aus seiner abenteuerlichen Tour und lassen sich inspirieren zu eigenen Reisen, es muß ja nicht unbedingt mit dem Rad sein …
Schneegestöber und Kletterfelsen
Vier Tage sind vergangen seitdem wir Oslo am norwegischen Nationalfeiertag, dem 17. Mai verlassen haben. Je weiter wir uns von der Hauptstadt Oslo entfernen, um so mehr stottert der Frühlingsmotor und treibt das Thermometer und unsere Laune in den Keller. Waren es in Oslo noch 24 Grad, so pfeift uns nun nahe Dombas, südlich des Dovrefjells, bei 5 Grad Celsius eiskalter Nordwind entgegen. Regen und feuchtschwere Schneeflocken vermischen sich.
In Dombas fragen wir in einem Imbiss nach dem Wetterbericht. Schnee in den Bergen und kalter Nordwind prognostiziert man uns achselzuckelnd und mit einem leicht mitleidigen Blick auf unsere Fahrräder. Wir entschließen uns, am nächsten Tag in Richtung Westen zu pedalieren, an der Küste soll es ohnehin etwas wärmer sein als hier auf fast 600 Höhenmeter…
Nach 55 km und halber Wegstrecke zwischen Dombas und Andalsnes wirbeln dichte Schneeflocken und hinterlassen auf der Straße weiße Flecken. In Bjorli erzählt man uns, dass die Skilifte vor drei Wochen noch in Betrieb gewesen sind. Pech für uns, dass der Frühling nochmal eine kurze Pause eingelegt hat.
Am Ende des weiten Romsdalen ragen düster die Bergzacken der Trolltindene auf. Wir verrenken uns fast den Hals nach den Spitzen der 1.700 m hohen, nahezu senkrecht abfallenden Bergwände, die ein Eldorado für Kletterer aus aller Welt sind. Tolldreiste Kletterer sparen sich den Rückweg, nehmen gleich unerlaubterweise den Fallschirm mit und stürzen sich von oben in die Tiefe.
Glasierte Kuchenstücke
Ein paar Kilometer vor Andalsnes liegt am linken Ufer des glasklaren Flusses Rauma der weitläufige Campingplatz der Kleinstadt. Der Nieselregen lässt die Wahl zwischen nasskaltem Zelt und einer beheizbaren, gemütlichen, kleinen Hütte nicht schwer fallen.
Am nächsten Morgen sehen die Berge wie glasierte Kuchenstücke aus. Der Winter setzt sein kurzes Intermezzo fort, der Trollstigen Pass bleibt heute geschlossen, da die Lawinengefahr in den Bergen zu groß ist und der Schnee tagsüber nicht taut.
Vielleicht ist der alte, riesige, überdimensionale Holz-Troll, der grimmig dreinblickend auf einen Holzstab gestützt vor der Campingplatzrezeption steht, ein Radfahrer, der den Weg über den „Trollstigen“ im letzten Herbst nicht mehr geschafft hat?!
Von Trollen und harten Wikingern
Am nächsten Morgen hat der Regen endlich aufgehört und wir erfahren, dass der Pass zumindest tagsüber geöffnet ist. Eilig stopfen wir unsere Sachen in die Taschen und brechen auf. Zunächst geht es „zum Aufwärmen“ langsam ansteigend durch das wildromantische Isterdalen mit rauschendem Wildbach und riesigen Felsblöcken. Die Bergwände umschließen das Tal immer enger und lassen die spannende Frage aufkommen, wie und wo eine Straße aus diesem Talkessel herausführen soll.

Achtung, kreuzende Trolle!
Foto: Reinhard Pantke
Hinter einem Schild, das nicht ganz ernst vor „kreuzenden Trollen“ warnt, sehen wir den Beginn des eigentlichen Anstiegs, der sich in elf engen Serpentinen mit durchschnittlich 11-12% die fast senkrecht abfallende Wand hinaufschraubt.
Einem alten Pfad folgend, wurde die Straße nach erst achtjähriger Bauzeit im Jahre 1936 fertiggestellt. Nach den Gesetzen der Geothermik soll es ja beim Aufstieg in die Höhe kälter werden, aber mit steigender Höhe entledige ich mich der Handschuhe, der langen Hose und der Jacke. Bei 5 Grad Celsius zuckele ich schwitzend in Shorts und T-Shirt aufwärts. Die Strasse windet sich an der blanken Wand empor, Wasserfälle donnern direkt neben der Strasse in die Tiefe. Oben können wir durch ein Wolkenloch gerade noch einen kurzen Blick auf das Gewirr der Serpentinen werfen, die sich wie durcheinandergewirbelte Mikado-Stäbe die Felswand hochschlängeln.

Der Trollstigen
Foto: Reinhard Pantke
Endlich oben!
Oben tasten wir uns mit fast null Sicht durch die Wolkenschwaden voran. Zwischen meterhohen Schneewällen, die die Straße einrahmen, taucht aus der Wolkensuppe ein Biker auf, der mit dicken roten Regenklamotten, großer Skibrille und in Plastiktüten gewandeten Füßen, eher einer „Star Wars-Phantasie“ von George Lucas entsprungen zu sein scheint. Der 64-jährige Däne erzählt uns, dass er schon über drei Wochen seit Ende April unterwegs ist. In dieser Zeit sei man fast allein unterwegs, er mag es besonders auf dem Fjell Löcher in das Eis der Seen zu schlagen, um ein morgenliches Erfrischungsbad zu nehmen. Grinsend fügt er in Deutsch hinzu: „Nur die Harten kommen in den Garten…“ Im Vergleich zu diesem dänischen Wikingernachkommen fühlen wir uns irgendwie arg verweichlicht…
Auch jetzt im Mai ist hier kaum jemand unterwegs, aber ab Mitte Juni ist es an schönen Tagen mit der Einsamkeit vorbei!
Vorbei an gelangweilt dreinblickenden Schafen, die Kraftproben mit meterhohen Stäben durchführen, die man zur Straßenmarkierung im Winter benötigt, rollen wir talwärts.
Man sollte sich bei der heimischen Planung einer Westnorwegen-Tour nicht täuschen lassen: Die absoluten Höhenangaben sind wesentlich niedriger als in den mitteleuropäischen Alpen, aber gerade in Westnorwegen beginnt die Kletterpartie auf Meereshöhe (am Fjord.) und kann über 1.400 Höhenmeter auf die nächste baumlose Hochebene, das Fjell, hinaufführen.
Je nach Konditionsstand wiederholt sich dieses Achterbahnspiel im Laufe eines Tages einige Male. Am Abend werden wir auf der „Golden Route“ zwischen Andalsnes und Geiranger nur ca. 95 km, aber mindestens 1500 Höhenmeter erklommen haben. Talwärts wird es wieder grüner, rund um Valldal ist eines der größten Erdbeeranbaugebiete Norwegens. Geerntet werden die jedoch meist erst Ende Juli.
Wie es weitergeht mit der abenteuerlichen Frühlingstour, lesen Sie im nächsten Teil ….
Wer die kontrastreichen Landschaften Westnorwegens auf einfachere Art kennenlernen willl, wird sicher bei unseren Norwegenrundreisen pfündig!
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