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Klimawandel in Grönland: Unabhängigkeit oder Untergang? (Teil 1)

Grönland

In der Nähe von Ilulissat auf Grönland
Foto: Hilde Foss/ Hurtigruten

Grönland, die größte Insel der Welt, und seine 56.000 Bewohnerinnen und Bewohner stehen vor wegweisenden Entwicklungen und Entscheidungen. Während der Klimawandel in den Alpen Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg zu Tage fördert, bringt das Schmelzen des Kilometerdicken Eispanzers in Grönland Hoffnungen und Ängste mit sich. Hoffnungen vor allem, da riesige Rohstoffvorkommen auf und um die Insel herum vermutet werden. Ängste, weil die Folgen und Begleitumstände alles andere als einfach zu handhaben sind.

Ein Schutzschild aus Eis

Doch zunächst einmal sollten wir uns die Gegebenheiten Grönlands vor Augen führen. 80% seiner Fläche sind unter einer im Durchschnitt über 2 Kilometer, in den Spitzen sogar über 3 Kilometer, dicken Schicht aus Eis verborgen. Die nicht mit Eis bedeckte Fläche ist immer noch ein gutes Stück größer als Deutschland und das bei einer Bevölkerungszahl, die zwischen der von Göppingen und Euskirchen angesiedelt ist.

Etwa 90% der Bewohner sind Inuit, das Land gehört jedoch zu Dänemark. Seit 2009 ist Grönland aber, mit Ausnahme der Außen- und Sicherheitspolitik, autonom – inklusive der Absprache, dass die vollständige Unabhängigkeit denkbar ist, sobald Grönland ohne dänische Subventionen auskommt. Die machen aktuell noch rund 30% des Haushalts aus.

Wie der Klimawandel Grönland verändert

Durch die steigenden Durchschnittstemperaturen – Forscherinnen und Forscher rechnen für die Polregion mit mindestens 5° C Zuwachs in den nächsten 100 Jahren – und eine unter Grönland besonders dünne Erdkruste schmilzt der Panzer gerade von beiden Seiten. Taut das Eis im jetzigen Tempo weiter, würde die Eisschicht erst in Jahrtausenden komplett abgeschmolzen sein. Doch beispielsweise durch im Eis eingeschlossene Treibhausgase, die so wieder in die Luft entweichen, sind auch sprunghafte Szenarien denkbar.

Fakt ist: Teile der Insel, die bisher ganzjährig vom Eis bedeckt waren, werden inzwischen im Sommer eisfrei. Viele Buchten sind seit kurzem auch im tiefsten Winter nicht mehr zugefroren. Bis vor wenigen Jahren noch völlig undenkbare Schifffahrtsrouten um die Insel sind plötzlich die neuen Hauptverkehrsadern und neue Fischgründe können erreicht werden. Die Vegetationsperioden sind zudem um mehrere Wochen länger geworden.

Tiefgreifende Probleme in der Gesellschaft und die Verlockung

Die grönländische Gesellschaft ist, unabhängig von diesen Entwicklungen, mit vielen Problemen belegt. Alkoholismus ist weit verbreitet, der Bildungsgrad recht niedrig und die Selbstmordrate ist nirgends auf der Welt höher. Der Klimawandel verändert schon jetzt den Alltag vieler Inuit, da Jahrtausende-alte Gewissheiten über Eisbeschaffenheiten nicht mehr stimmen und die Jagd somit zu einer äußerst gefährlichen Angelegenheit wird.

Auf der anderen Seite wurde in den letzten Jahren deutlich, auf was für Schätzen die Grönländerinnen und Grönländer sitzen. Eisen, Kupfer, Nickel und Rubine sind im Überfluss vorhanden, vor der Küste gibt es große Vorkommen von Öl und Gas und die Lagerstätten von Gold, Seltenen Erden, Palladium, Uran und Strontium gehören zu den größten derzeit bekannten auf der Welt. Insgesamt scheinen bis zu 120 Förderstätten möglich und es winkt ein geschätztes Auslandsinvestitionsvolumen von 100 Milliarden Dollar.

Die Haken bei der Sache

Die Chance auf einen schnellen Anstieg der Lebensqualität birgt aber auch zahlreiche Unwägbarkeiten. Viele Dörfer sind schon jetzt, bevor die konkrete Planung von Minen begonnen hat, tief gespalten. Viele Rohstoffe können nur gefördert werden, indem Unmengen radioaktiven Gesteins mit aus dem Boden geholt werden. Schätzungen besagen, dass 95% des Förder-Volumens strahlender Müll wäre, der enorme Gefahren mit sich bringt – etwa für Grundwasser und Tierwelt.

Bis 2013 war die Rohstoff-Förderung durch ein Gesetz, das den Abbau von Uran verbot, extrem eingeschränkt. Dessen Lockerung machte zwar den Weg für Investitionen frei, brachte aber auch den Austritt der links-grünen Inuit-Partei aus der Regierung und eine Demonstration mit 400 Teilnehmenden mit sich. Setzt man deutsche und grönländische Bevölkerung in Relation, entspräche dies in etwa einer Veranstaltung mit 575.000 Menschen in Berlin.

Verhandlungen auf Augenhöhe?

Die Rahmenbedingungen, die Grönland momentan vorzuweisen hat, sind nicht ansatzweise mit denen in Westeuropa zu vergleichen. Fernstraßen, die verschiedene Teile der Inseln verbinden, gibt es nicht. Dies senkt einerseits die Attraktivität für Investoren – zum anderen wirkt sich diese Tatsache aber auch auf mögliche Unfallszenarien aus. Viele Involvierte empfehlen daher der grönländischen Regierung, sich für die Erstellung von Standards externe Expertise einzuholen. Die Sorge davor, dass die grönländische Regierung durch geringe Routine in derartigen Verhandlungen und den Problemdruck der gesellschaftlichen Probleme im Hintergrund, den Umweltschutz auf der Strecke bleiben lässt, wird immer wieder kritisch angemerkt – genauso wie die Unerfahrenheit mit Großprojekten.

Und auch wenn auf Umweltverträglichkeit der Projekte geachtet wird, so bleiben allein durch die äußeren Bedingungen noch große Risiken bestehen. Das Löschen eines Brandes bei -40° Celsius ist deutlich komplizierter, als bei gemäßigten Temperaturen. Weniger theoretisch, dafür aber nicht weniger existenziell, sind eine Reihe von sozialen Folgen, die durch einen Rohstoffboom ausgelöst würden. Das soll unser Hauptaugenmerk im nächsten Blogbeitrag werden, der in der nächsten Woche hier veröffentlicht wird. Die Wartezeit können Sie sich damit vertreiben, sich ein paar Eindrücke der atemberaubenden Natur Grönlands zu verschaffen, indem Sie einen Blick auf unsere Grönlandreisen werfen.

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Jan Schäfer

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